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Unvollständige Lieferungen im Online-Handel: Was tun bei Kundenreklamationen?

14. April 2020

Wohl jeder Online-Händler kennt die Situation: Ein Kunde beschwert sich, dass sein lang erwartetes Paket zwar ankommt, jedoch nicht alle von ihm bestellen Artikel enthält. Nun verlangt er von dem Shop-Betreiber Nachlieferung der fehlenden Ware. Welche Rechte Verbraucher hier wie geltend machen können, welche Beweislastregeln gelten und welche Reaktionsmöglichkeiten sich dem Händler bieten, zeigt der nachstehende Beitrag der IT-Recht Kanzlei auf.

Kundenreklamation wegen unvollständiger Ware

Jeden Tag werden in Deutschland Millionen Pakete ausgeliefert. Nicht selten kommt es vor, dass Artikel auf dem Versandweg auf mysteriöse Weise verschwinden. So gab es in den letzten Jahren immer wieder spektakuläre Fälle von Paketdiebstahl. Manchmal kann auch eine schlechte Verpackung die Ursache für einen verlorenen Artikel sein. Und leider gibt es auch unter Verbrauchern „schwarze Schafe“, die einfach wahrheitswidrig behaupten, dass das Paket ohne den bestellten Artikel angekommen sei.

Unabhängig vom Grund für den verlorenen Artikel stellen sich in diesen Fällen folgende Fragen: Wie lange kann der Verbraucher eine derartige Zuweniglieferung geltend machen? Was ist, wenn er sich erst fünf Monate, gar eineinhalb oder drei Jahre später an den Verkäufer wendet? Wer muss beweisen, dass das Paket unvollständig beim Verbraucher ankam?

Unvollständige Lieferung: Rechte von Händlern und Verbrauchern

Wird dem Verbraucher eine beschädigte Ware geliefert, ist diese nach § 434 Abs. 1 BGB mangelhaft. Dem Verbraucher stehen dann die Gewährleistungsrechte nach §§ 439 ff. BGB zu. Doch was ist, wenn der Verbraucher eine unvollständige Lieferung erhält? Antwort auf diese Frage gibt auch hier das Gesetz. Nach § 434 Abs. 3 2. Alt. BGB steht es einem Sachmangel gleich, „wenn der Verkäufer […] eine zu geringe Menge liefert.“ Hat der Verkäufer also statt zehn Flaschen Bier nur fünf an den Verbraucher versendet, ist die Ware mangelhaft.

1.) Sachmangel nur bei verdeckter Zuweniglieferung

Dabei ist jedoch zu differenzieren: Eine mangelhafte Leistung i.S.d. § 434 Abs. 3 2. Alt. BGB liegt nur vor, wenn der Verkäufer unbewusst eine zu geringe Menge versendet, mit der er aus Sicht des Kunden den gesamten Vertrag erfüllen will (sog. verdeckte Zuweniglieferung). Teilt der Verkäufer dem Käufer jedoch mit, dass die Lieferung nicht vollständig sein wird, bspw. weil er zur Zeit nur noch fünf Flaschen Bier auf Lager hat, und nimmt der Käufer diese unvollständige Lieferung an, liegt nur eine Teilleistung vor. Eine solche Teilleistung ist nicht einem Sachmangel gleichgestellt. Vielmehr hat der Kunde in Bezug auf den noch fehlenden Teil gegen den Verkäufer einen Anspruch auf Erfüllung des Kaufvertrags.

2.) Ansprüche des Verbrauchers

Im Fall der verdeckten Zuweniglieferung hat der Verbraucher gegen den Shop-Betreiber einen Anspruch auf Nacherfüllung bezüglich der Restlieferung nach § 439 BGB. Dabei ist unerheblich, ob der Artikel bereits beim Verlassen des Händlerlagers gefehlt hat oder erst auf dem Transportweg verloren gegangen ist. In beiden Fällen kann der Verbraucher die gesetzlichen Gewährleistungsrechte geltend machen, da er als Verbraucher die Gefahr von *zufälligen* Verschlechterungen oder Verlusten nach §§ 475 Abs. 2, 447 BGB bei Verbrauchsgüterkäufen erst ab Übergabe der Kaufsache an ihn persönlich trägt.

Auch eine Abgabe an den Nachbarn ist grundsätzlich keine wirksame Übergabe an den Käufer. Erst, wenn der Verbraucher die Ware „in den Händen hält“, ist die Ware zugestellt. Fehlt also bei Übergabe des Pakets an den Verbraucher ein bestellter Artikel, muss der Händler dies grundsätzlich auf seine Kappe nehmen.

Neben dem Anspruch auf Vertragserfüllung und Nacherfüllung gilt stets das Verbraucherwiderrufsrecht. Dieses steht dem Verbraucher vollkommen unabhängig davon zu, ob der bestellte Artikel in dem Paket fehlt oder nicht. Daraus folgt, dass der Verbraucher den gezahlten Kaufpreis zurückerstattet bekommt, wenn er innerhalb von 14 Tagen nach der Lieferung den Widerruf erklärt. Statt einer Reklamation kann der Verbraucher daher auch diesen Weg gehen, wenn er einen bestellten Artikel nicht erhält und sich daher vom Vertrag lösen will.

Beweislast bei unvollständigem Paket

In den meisten Fällen wird es für den Shop-Betreiber schwierig sein, sich an den tatsächlichen Inhalt des monierten Pakets und dessen Vollständigkeit zu erinnern. Doch was, wenn der Händler ganz sicher ist, alle Artikel verschickt zu haben? Wer muss eigentlich beweisen, dass ein Artikel gefehlt hat?

1.) Die ersten sechs Monate: Beweislastumkehr

Wie bereits dargestellt, stellt eine Zuweniglieferung nur im Fall der sogenannten verdeckten Zuweniglieferung einen Sachmangel dar. Hat der Verbraucher statt den bestellten zehn Flaschen Bier nur fünf erhalten und wollte der Verkäufer damit erkennbar den Kaufvertrag erfüllen, liegt ein Mangel vor, sodass § 477 BGB Anwendung findet. Nach dieser Vorschrift wird zugunsten des Verbrauchers innerhalb der ersten 6 Monate nach der Lieferung vermutet, dass die Sendung unvollständig war. Will der Händler sich entlasten, muss er den Beweis der Vollständigkeit führen.

Im Bierflaschenbeispiel muss also der Händler im Streitfall innerhalb der ersten sechs Monate nachweisen, dass er das Paket mit zehn Flaschen losgeschickt hat und es auch mit zehn Flaschen beim Verbraucher angekommen ist. Dies dürfte im Zweifel schwierig sein. Die alleinige Aussage des Händlers bezüglich des vollständigen Versands stellt vor Gericht keinen tauglichen Beweis dar, da dem Unternehmer in einem Rechtsstreit als Partei keine Zeugeneigenschaft zukommen kann.

Der Händler wird also in den meisten Fällen, in denen der Verbraucher die Zuweniglieferung innerhalb der ersten sechs Monate nach Übergabe geltend macht, in den sauren Apfel beißen müssen – und dies sogar, wenn der Verbraucher erst nach mehreren Monaten die Unvollständigkeit moniert. Denn es ist stets möglich, dass der Verbraucher ein Produkt zwar gekauft hat, es aber erst viel später tatsächlich auf seine Vollständigkeit hin prüft bzw. die Ware erst später in Betrieb nehmen will und die fehlenden Artikel daher auch erst später entdeckt. Deshalb bleibt es auch dann dabei, dass im Streitfall der Händler beweisen muss, dass die Kaufsache bei Übergabe an den Verbraucher mangelfrei gewesen ist.

2.) Die Zeit danach: Verbraucher muss beweisen

Nach diesen sechs Monaten können Händler jedoch „aufatmen“. Die Beweislast geht dann auf den Verbraucher über. Dieser muss dann aktiv beweisen, dass das Paket bei Übergabe an den Verbraucher nicht vollständig gewesen ist.

Geltendmachung der Unvollständigkeit: Wie viel Zeit hat der Verbraucher?

Kommt die Lieferung unvollständig beim Verbraucher an, so hat er viel Zeit, den Mangel der Ware gegenüber dem Online-Händler anzuzeigen. Das Gesetz gibt ihm nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB maximal zwei Jahre ab der Übergabe (§ 438 Abs. 2 BGB) dafür. Macht der Verbraucher den Mangel innerhalb von sechs Monaten gegenüber dem Händler geltend, greift zu seinen Gunsten die bereits dargestellte Beweislastumkehr nach § 477 BGB. Nach Ablauf der 6 Monate muss er die Unvollständigkeit selbst beweisen. Eine gesetzliche Pflicht des Verbrauchers, unvollständige Lieferungen möglichst schnell oder innerhalb einer bestimmten Frist gegenüber dem Händler zu melden, gibt es nicht. Eine solche Rügeobliegenheit gilt gemäß § 377 HGB nur im kaufmännischen Verkehr, also unter Kaufleuten bzw. Unternehmern, nicht jedoch bei B2C-Geschäften.

Die Handlungsoptionen der Händler

Für Händler ist die Lage somit nur wenig befriedigend. Die Verbraucher können sich viel Zeit damit lassen, die Unvollständigkeit der Kaufsache gegenüber dem Händler anzuzeigen. Ist die Sache bspw. auf dem Transportweg verloren gegangen, kann der Händler zwar zunächst einen Nachforschungsauftrag beim Transportdiensteleister stellen. Macht der Verbraucher jedoch z.B. mit einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft, dass die Ware unvollständig bei ihm angekommen ist, muss der Händler ein weiteres Paket mit den fehlenden Artikeln nachsenden.

Händler haben nur wenige Möglichkeiten, diese Situation entscheidend zu ihren Gunsten zu verbessern. So dürfen sie keine vertragliche Rügeobliegenheit für Verbraucher innerhalb einer bestimmten Frist in ihren AGB regeln. Auch die Transportgefahr darf nicht auf den Verbraucher übertragen werden. Etwaige Klauseln dieser Art sind nach § 476 Abs. 1 Satz 1 BGB unzulässig.

Die einzige Möglichkeit besteht für Händler wohl darin, die Verbraucher grundsätzlich freundlich darum zu bitten, unvollständige Lieferungen möglichst zügig ihnen und/oder (gleich) dem betroffenen Transportunternehmen gegenüber zu melden. Dabei darf aber nicht der Eindruck entstehen, dass die Verbraucher zu einer solchen (zügigen) Meldung verpflichtet sind. Sonst könnte darin eine irreführende geschäftliche Handlung zu sehen sein, die von Mitbewerbern oder Verbänden abgemahnt werden könnte.

Fazit

Händlern sind grundsätzlich die Hände gebunden, wenn Verbraucher die Unvollständigkeit eines Pakets innerhalb der ersten 6 Monate nach der Zustellung geltend machen. Innerhalb dieses Zeitraums müsste der Händler die Unvollständigkeit nämlich aktiv widerlegen. Nach Ablauf der 6 Monate obliegt die Beweisführung allerdings dem Verbraucher, was für den Händler günstiger sein dürfte. Zu achten ist darauf, dass von den gesetzlichen Verbraucherschutzvorschriften nicht zulasten der Verbraucher in AGB oder sonstigen Bestimmungen abgewichen werden darf.


Phil Salewski

"Phil Salewski ist Rechtsanwalt bei der IT-Recht Kanzlei München und auf das Datenschutz- und Wettbewerbsrecht spezialisiert. Zu seinen Mandanten gehören vor allem Unternehmer mit Tätigkeitsschwerpunkt im Online-Handel. "