Brexit. Und nun? - Was Onlinehändler jetzt wissen sollten

20. Februar 2020

Nach schier unendlich scheinenden Austrittsverhandlungen mit der Europäischen Union ist er nun endgültig vollzogen: der Brexit. Welche Szenarien sind nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU denkbar und welche Auswirkungen hat dies auf den deutschen E-Commerce? Wir haben für Sie ein paar Beispiele zusammengetragen.

Der wirtschaftliche Stellenwert Großbritanniens ist auch im E-Commerce nicht gering. Sollte das Land bei einem No-Deal-Brexit den Status eines Drittstaates erhalten, gelten die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO). Dies führt dazu , dass im Gegensatz zum Binnenmarkt sogenannte nicht-tarifäre Handelshemmnisse wie Zollabfertigung, Nachweise und Lizenzen etc. entstehen. EU-Zölle (Einfuhrumsatzsteuer, eventuell Verbrauchsteuer), Einfuhranmeldungen und zusätzliche Lizenzen wären nötig, um den Handel weiter aufrecht zu erhalten.

Elf Monate für Handelsabkommen

Ob es zu einem No-Deal-Brexit oder einer gemäßigten Variante in Form eines Handelsabkommens kommt, steht in den Sternen. Sicher ist jedoch, dass ähnliche Abkommen wie TTIP oder EFTA jahrelange Debatten vorausgingen, sich die EU und Großbritannien jedoch nur bis zum 31. Dezember 2020 eine Frist gesetzt haben. Elf Monate also, die in Regelungen über die zukünftigen Wirtschaftsbeziehungen beider Partner enden sollen. In dieser Übergangsphase ist das Vereinigte Königreich zwar nicht mehr Teil der Europäischen Union, der rechtliche Rahmen für den elektronischen Geschäftsverkehr bleibt jedoch vorerst bestehen. Zudem bleibt das Land in dieser Zeit Teil des EU-Binnenmarkts und der Zollunion. Onlinehändler können daher (noch) verschnaufen. 

Kommt es bis zum 31. Dezember nicht zu einer Einigung, ist ein weiterer Aufschub der Entscheidung genauso denkbar wie das Worst-Case-Scenario “No Deal”. Die EU verfügt über eine eigene WTO-Mitgliedschaft als Union, genauso wie das Vereinigte Königreich als Land, welches als Drittstaat bei den Verhandlungen am kürzeren Hebel sitzen dürfte.

Bereiten Sie sich auf das Worst-Case-Scenario vor

Als Händler ist es ratsam, die Zeit bis zum Ende des Jahres zu nutzen und Vorkehrungen im Falle des Nichtzustandekommens zu treffen. Vor allem die Zoll- und Warenabfertigung sollten rechtzeitig auf den Handel mit einem Drittstaat ausgelegt sein, sollten weiterhin Handelsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich bestehen bleiben. Des Weiteren müssen Händler, die außerhalb des EU-Binnenmarkts bisher keine Ware verkauft haben, eine sogenannte EORI-Nummer (Economic Operators' Registration and Identification Number) beantragen. Diese wird von den Zollbehörden vergeben und dient der Identifizierung von Wirtschaftsbeteiligten gegenüber den Zoll­behörden, ähnlich einer Steuer-ID.

Britische Rechtsformen möglicherweise nicht mehr gültig

Ein weiteres von vielen unsicheren Szenarien betrifft Unternehmen, die eine britische Rechtsform besitzen. Dazu zählen unter anderem LLP (Limited Liability Partnership), Ltd. (Limited Company, das Äquivalent zur GmbH) oder die PLC (Public ­Limited Company). In der EU gilt: Wer in der Gemeinschaft tätig ist, muss eine hier gebräuchliche Rechtsform haben. Die britischen Rechtsformen gelten in diesem Falle also nicht mehr. In Deutschland können Unternehmen auch eine UG (haftungsbeschränkt) gründen. Diese hat ähnlich niedrige finanzielle Anforderungen wie die Ltd, wird aber nach deutschem Recht gegründet und ist damit einfacher im Rechtsverkehr handhabbar. Schon jetzt beobachten Experten ebenfalls, dass Unternehmen zu Rechtsformen wechseln, die in Luxemburg oder den Niederlanden gebräuchlich sind. Dazu gehören die Aktiengesellschaft (S.A.), die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (S.à r.l.)  oder die holländische b.V., die der deutschen GmbH entspricht. Hinzu kommt, dass Händler, die ­sowohl in der EU als auch im Vereinigten Königreich Geschäfte tätigen wollen, eine zweite Firmeneintragung nach UK-Regularien benötigen.

Viele Fragezeichen, noch keine Antworten

Viele noch zu klärende Punkte wie das 14-tägige Widerrufsrecht, Gewährleistungen durch Händler und Markenrecht könnten mittelfristig deutschen Onlinehändlern zum Verhängnis werden. Auch wenn der Tenor derzeit nach wenig Veränderung und einem fairen Handelsabkommen klingt, haben die vergangenen Monate und Jahre gezeigt, dass beim Thema Brexit alles passieren kann. Daher sollten sich Onlinehändler in jedem Fall auf einen No-Deal-Brexit ab dem 1. Januar 2021 und einen Außenhandel mit dem Vereinigten Königreich nach WTO-Regeln vorbereiten.

Autorin: Katharina Fentem

Katharina Fentem

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